Immer wieder werden Rufe laut,die zahlreichen gesetzlichen Krankenversicherungen durch eine große Einheitskrankenkasse zu ersetzen. In Deutschland gibt es derzeit 97 gesetzliche Krankenversicherungen. Rund 73,3 Millionen Deutsche sind bei einer gesetzlichen…
Gesundheit
Neidisch schauen viele Deutsche zu unseren nördlichen und westlichen Nachbarn. Während in Dänemark und dem Vereinigten Königreich die meisten Corona-Beschränkungen aufgehoben wurden, gilt in vielen Lebensbereichen in Deutschland weiterhin: Maske tragen, Abstand halten.
Auch in Deutschland werden mit Verweis auf Dänemark und dem Vereinigten Königreich Rufe nach einem „Freedom-Day“ laut. Ein Blick auf die Daten zu Impfungen, Genesenen und Impfbereitschaft zeigt, dass sich die Deutschen im Vergleich zu Dänen und Briten in einer misslichen Situation befinden.
„Schwach angefangen und dann stark nachgelassen“, so könnte die deutsche Impfkampagne gegen das Corona-Virus zusammengefasst werden. Zunächst lahmte die Kampagne, weil zu wenig und zu spät Impfstoff bestellt wurde. Mit zunehmender Verfügbarkeit schnellte die Impfquote empor, um nun seit Wochen auf ähnlichem Niveau zu verharren. Während andere Länder, wie Großbritannien oder Dänemark, dank hoher Impfquoten und einem höheren Anteil bereits Genesener die meisten Corona-Maßnahmen aufgehoben haben, ist hierzulande die Aufhebung der Maßnahmen kaum ein Thema mehr.
Aufhebung von Impfstoffpatenten: Kurzfristig keine Hilfe und mit nicht absehbaren Langzeitfolgen
US-Präsident Biden sorgt mit einem ungewöhnlichen Vorschlag für Aufsehen. Um „möglichst viele Menschen so schnell wie möglich mit sicheren und wirksamen Impfstoffen zu versorgen“, setzt sich die US-Regierung dafür ein, den Patentschutz für Corona-Impfstoffe auszusetzen. Ziel ist es, auch ärmere Länder in die Lage zu versetzen, kostengünstig Corona-Impfstoffe herzustellen und ihre Bevölkerungen damit gegen das Corona-Virus zu schützen. Während die EU-Kommissionspräsidentin Zustimmung signalisiert hat, lehnt die deutsche Regierung entsprechende Ansinnen bisher ab. So wurde ein Antrag der Linkspartei im deutschen Bundestag mit breiter Mehrheit der Großen Koalition, der FDP und der AfD abgelehnt. Die Grünen enthielten sich.
In Deutschland arbeiten rund 1,1 Millionen Menschen in der Krankenpflege. Ihr Beruf gilt vielen als undankbarer Knochenjob – schlechte Bezahlung, haufenweise Überstunden, wenig gesellschaftliche Anerkennung. Im Zuge der Corona-Krise ist die aus Personalmangel resultierende emotionale und physische Belastung des Krankenhauspersonals erneut in den Fokus gerückt; der sogenannte „Pflegenotstand“ ist jedoch schon seit Jahrzehnten Dauerbrenner.
Impfen ist der Weg aus der Corona-Pandemie. Großbritannien, Israel und die Vereinigten Staaten sind mit ihren Impfkampagnen bereits weit fortgeschritten. In Kontinentaleuropa sind die lebensrettenden Impfstoffe Mangelware, nicht zuletzt wegen einer unglücklichen Bestellpolitik der EU. Angesichts knapper Impfstoffe und großem Leid verursacht durch das Virus bedarf es eines möglichst effizienten Einsatzes der vorhanden Impfstoffdosen. Es kristallisiert sich zunehmend heraus, dass bereits die erste Impfung einen hohen Schutz vor ernsthafter Erkrankung mit Krankenhausaufenthalten und tödlichen Ausgängen bietet. Da der Impfstoff knapp ist, sollten zunächst alle Dosen für Erstimpfungen eingesetzt werden, um möglichst vielen Menschen einen ersten Schutz zu bieten und schwere Verläufe sowie Todesfälle zu verhindern.
„In jeder Familie gibt es jemanden, der geimpft worden ist“, bekundete Gesundheitsminister Jens Spahn Mitte März. Damit wollte er etwas Optimismus bezüglich der deutschen Impfkampagne verbreiten, nachdem zunehmend Kritik laut wurde. Vor dem Hintergrund der Impferfolge anderer Länder setzt sich auch hierzulande zusehends die Erkenntnis durch, dass der Faktor Impfgeschwindigkeit für eine erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie entscheidend ist. Je früher eine Person geimpft ist, desto weniger Gelegenheiten bieten sich für eine Infektion. Besonders schmerzlich sind etwa Berichte aus Altenheimen, bei denen die Impfteams nur wenige Tage zu spät eintrafen und sich Heimbewohner kurz zuvor infizierten und einige schließlich verstarben.
Gelieferte Dosen sollten stets umgehend verimpft werden – just in time. Die Realität sieht leider anders aus.
Impfstoffe gegen Corona wurden in einer unglaublichen Geschwindigkeit entwickelt. CNN berichtet, dass die Entwickler bei Moderna bereits am 13. Januar 2020, zwei Tage nachdem die chinesischen Behörden die Gensequenz des Corona-Virus veröffentlichten den Impfstoff entwickelt hatten und anschließend mit der Herstellung von Impfdosen für klinische Tests begannen. Die Tests sollten schließlich noch mehrere Monate dauern, obwohl zur Beschleunigung die üblichen Testphasen parallel durchgeführt wurden.
Der Start der Impfkampagne gegen Corona ist ein Hoffnungssignal. Doch gleichzeitig macht sich nicht nur Frust über die bestellten Impfstoffmengen breit. Auch bei der Umsetzung der Impfungen stockt es. In vielen Bundesländern konnten sich die ersten Impfberechtigten nicht nur über Hotlines anmelden, sondern auch über Internetportale für Termine registrieren. Die Internetportale brachen allerdings wie etwa in Hessen, Saarland, NRW und Sachsen nach dem Start der Registrierung unter dem Ansturm der impfwilligen Über-80-Jährigen zusammen. Eine kleine Anpassung der Regeln der Registrierungsverfahren könnte ein solches Malheure beim Start der Registrierungen der nächsten berechtigten Gruppen verhindern.
Angesichts tausender täglicher Neuinfektionen, vielen Todesopfern und hohem wirtschaftlichen Schaden sind in den nächsten Monaten weitere Anstrengungen nötig, um die Anzahl täglicher Corona-Impfungen deutlich zu erhöhen. Es ist daher richtig, dass auch Hausärzte in die Impfungen eingebunden werden, sobald mehr Impfstoff verfügbar ist. Einen weiteren Beitrag zur Impfkampagne könnten die rund 19.000 Apotheken in Deutschland leisten. Dafür müssten jetzt die Weichen gestellt werden. Dieser Schritt würde sich auch langfristig auszahlen: Impfungen in Apotheken können zu einer umfangreicheren Immunisierung der Bevölkerung auch gegen andere Krankheiten beitragen.